#HerkunftIstKeinVerbrechen: “Meine Integration ist ins Stocken geraten”

DE: Deutschsprachiger Bericht einer MSN-Aktivistin
EN: German-language report of an MSN activist
FR: Rapport allemand d’une militante du MSN

M (der Name ist bekannt) ist eine geflüchtete, alleinerziehende Mutter. Sie studierte an der Universität in ihren Heimatland. Kurz vor der Coronapandemie wurde ihr der Flüchtlingsstatus gewährt. Seitdem ist sie zu Hause – hat keine Arbeit und keine Beschäftigung, nur traurige Gedanken und Angst. Sie sagt: „Was soll ich tun? Das Deutsch der Kinder geht verloren, weil sie kaum mit anderen kommunizieren. Ich verliere meine Qualifikationen und meine Deutschkenntnisse, weil ich isoliert bin. Die Kinder stehen unter Stress, sie sind sich nicht sicher über ihre Zukunft, und ich leide darunter. Mein Kopf ist kaputt.”

Ihre Geschichte ist keine Ausnahme. In der Schweiz leben 2 125 410 ** Menschen ohne Schweizer Pass. Einige sind aus der EU/EFTA/UK (1 452 421 Personen) oder aus anderen europäischen Ländern oder anderen Kontinenten: Asien, Afrika, Amerika, Australien. Einige haben ein Arbeitsvisum, andere kommen in die Schweiz, um Asyl zu suchen. Einige sind Erwachsene, andere Minderjährige…Einige leben seit 30 Jahren in der Schweiz, einige – „nur“ fünf. Einige werden von den Behörden und/oder der Gesellschaft als „gut integriert“ eingestuft und toleriert, andere können diesen Ruf nicht „geniessen“, weil sie nicht perfekt Deutsch, Schweizerdeutsch, Französisch oder Italienisch sprechen.

Sie sind unterschiedlich, jeder hat seinen eigenen Namen, seine eigene Geschichte, sein eigenes Leben, seine eigenen Hobbys, seine eigene Erfahrung usw. Das einzige, was sie verbindet, ist der „Migrationshintergrund“. Dieser „Migrationshintergrund“ wird nach Verständnis der Schweizer Behörden auch unterschiedlich bewertet: Migranten aus EU-Ländern müssen sich im Falle eines Arbeitsplatzverlusts weniger Sorgen machen.

Menschen aus Asien, Afrika und Lateinamerika sind besonders von Armut betroffen. Gleichzeitig müssen sie damit rechnen, dass ihre Ausweise zurückgezogen werden können und sie in ihre Herkunftsländer abgeschoben werden können – nur wenn sie auf Sozialhilfe angewiesen sind oder sein werden.

Die Corona-Pandemie verschärft diese Kluft zwischen der etablierten Bevölkerung der Schweiz, migrierten Personen aus der EU oder aus „Drittländern“ erheblich.

Personen, die jahrelang in der Schweiz gearbeitet haben, Steuern gezahlt haben und deren Kinder in der Schweiz aufgewachsen sind, verlieren aufgrund der Pandemie und der darauf folgenden Rezession ihren Arbeitsplatz und rutschen in die Sozialhilfe ab. Viele finden keine neuen Jobs mehr. Ausweisart, Herkunft, Hautfarbe, Alter, Gender, Langzeitarbeitslosigkeit – nach wie vor Risiken und Probleme, strukturelle Diskriminierung, die diese Menschen nicht alleine überwinden können und für die sie nicht verantwortlich gemacht werden sollten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind nicht vorhersehbar. Sollten diese Menschen ohne Schweizer Pass die negativen Folgen der Pandemie allein auf eigenen Schultern tragen? Sind die Armen für das Coronavirus verantwortlich, das unser Leben beeinflusst?

Aufgrund der Pandemie und der aktuellen Situation auf dem Schweizer Arbeitsmarkt fordern wir schweizweit:

  • Moratorium für den Entzug der Aufenthaltsbewilligung für Menschen mit niedrigem Einkommen bzw. Sozialhilfe aus “Drittstaaten”! Niemand ohne Schweizer Pass sollte Angst vor Abschiebung haben!
  • Vorläufig aufgenommene Personen sollten leichter Aufenthaltsbewilligung erhalten können – die Voraussetzung der Unabhängigkeit von der Sozialhilfe im Härtefallverfahren muss abgeschafft werden! Vorläufig aufgenommene Personen hätten einfacher und effizienter mit einem B-Ausweis eine Arbeit und eine Wohnung finden können!
  • Die Legalisierung von abgewiesenen Asylsuchenden und Sans-Papiers sollte einfacher sein.
  • Im Härtefallverfahren sollte keine sogenannte „Arbeitszusicherung“ erforderlich sein! #HerkunftIstKeinVerbrechen