«Was??!! Verhüllungsverbot??!!

Überlegungen einer Aktivistin vom Migrant Solidarity Network

Wie viele Frauen tragen überhaupt eine Burka, so dass dieses Thema eine Initiative auslösen kann?» Das war meine erste Reaktion, als ich das erste Mal von der Initiative für ein Verhüllungsverbot gehört habe. Die zweite Frage war, wer die Initiative lanciert hat? SVP!! Aber die Geschichte und der Hintergrund der SVP zeigen, dass sie niemals etwas für Frauen gemacht hat. Eine iranische Redewendung sagt: Eine Katze jagt eine Maus nicht wegen der Zufriedenheit von Gott. Das Motiv der Initiative ist nicht die Freiheit der muslimischen Frauen. Ich glaube, das ist für alle klar. Die SVP hatte genug Möglichkeiten, um ihren guten Willen im Zusammenhang mit Frauen zu zeigen. Leider hat sie diesbezüglich überhaupt keine positive Vergangenheit.

Ich möchte hier nicht über die SVP und ihre Geschichte schreiben. Die Initiative hat für mich verschiedene Aspekte. Sie ist wie ein Messer mit zwei scharfen Kanten. Einerseits ist Freiheit ein Recht für alle Menschen. Alle müssen frei sein, um eigene Entscheidungen zu treffen. Vor allem in einem demokratischen Land wie der Schweiz.

Die Schweiz darf nicht in eine Zeit zurückzukehren, in der die Polizei die Röcke der Frauen gemessen hat. Das ist sehr peinlich.

Wenn eine Frau in der Schweiz im Bikini am See liegen darf oder auf den Strassen nackte Frauenbilder gezeigt werden dürfen (und natürlich ist genau das Freiheit), müssen alle anderen Arten von Frauenkleidern auch erlaubt sein. Dann kann die Schweiz behaupten, dass wir Freiheit haben. Ansonsten ist eine der Grundlagen dieser Freiheit lose.

Für mich stellt sich die Frage, welches Problem diese Initiative für die Schweiz löst. Welches Problem löst sie für Frauen, die die Burka tragen? Gehen sie am Tag nach der Abstimmung ohne Hijab zur Arbeit oder zum Einkaufen und bekommen soviel Freiheit wie möglich? Oder wird das Ergebnis genau das Gegenteil sein? Ja, denn vielleicht werden sie auch ihre Arbeit verlassen und selten aus dem Haus kommen.

Diese Frauen werden mehr Rassismus erfahren und isolierter werden. Und einige von ihnen sehen möglicherweise nie wieder die Farbe der Sonne. Die Initiative kann die Frauen aus einer kleinen Grube in eine tiefe, dunklere Höhle werfen.

Aber das ist für mich nicht alles. Die Debatte hat für mich noch einen anderen Aspekt. Es geht hier auch um Frauen und Mädchen, die unter dem Druck der patriarchalischen Kultur, Religion und Familie stehen. Sie dürfen nicht selber über ihre Kleidung entscheiden. Es gibt immer ein grosses Hindernis für ihre Freiheit. Sie leben in der Schweiz, aber das Patriarchat hat alle Aspekte ihres Lebens überschattet. Sie dürfen nicht über vorgegebene Rahmenbedingungen hinausgehen. Einige von ihnen sind nicht in der Lage, die Situation zu ändern. Besonders Mädchen, die in einer patriarchal-religiösen Familie geboren wurden, sind stark von diesem Problem betroffen. Ich kenne junge Mädchen, die gerne schwimmen und ohne Hijab leben, aber das ist überhaupt nicht möglich. Ich habe eine Reihe junger Frauen und Mädchen interviewt, die gezwungen sind, den Hijab zu tragen. Eine von ihnen sagte, dass der einzige Weg, sich aus dieser Situation zu retten, darin besteht, die Polizei zu kontaktieren, was sie nicht tue. Eine andere sagte, ihre Brüder würden ihr nicht erlauben, das Haus ohne Hijab zu verlassen.

Alle sprechen von Freiheit. Wo aber ist die Freiheit dieser Mädchen und Frauen unter dem Druck von Familien, die von fanatischen Männern kontrolliert werden? Wer kann diesen Frauen das Recht auf Freiheit und persönliche Wahl gewähren? Wer hat das Recht, sich in die Angelegenheiten dieser Frauen einzumischen?

Freiheit und Selbstbestimmung für solche Mädchen und Frauen ist tausendmal nötiger und wichtiger als ein Verhüllungsverbot.