Genkveranstaltung an Sezgin

Unsere Rede in Gedenken an Sezgin: Nebel im November

Leute vom Migrant Solidarity Network haben Sezgin nicht gekannt. Wir bedauern zutiefst, ist er nicht mehr hier, für seine Familie, für seine Freunde. Was wir kennen, ist die Situation in den Camps in der Schweiz. In den Bundesasylcamps, in den Asylcamps und in den Nothilfecamps. Wir wissen darum, dass einem in den Asylcamps der Schweiz die behördliche und menschliche Kälte entgegenschlägt. Es herrscht die Kälte der Bürokratie, die tausend Regeln, die tausend: das darfst du nicht. Und hier sollst du nicht. Und das geht nicht. Und hier musst du warten. Warten. Warten. Wir wissen darum, dass die Sorgen und Bedürfnisse der Menschen in den Camps oft nicht ernst genommen werden oder nichts dagegen unternommen wird. Wir wissen darum, dass jede vorgebrachte Bitte von der ORS und anderen Organisationen meist zuerst abgelehnt wird, dass die Leute in den Camps warten müssen, mehrmals fragen müssen und ihnen so Verachtung entgegengebracht wird,. Ihnen somit täglich zu verstehen gegeben wird, dass sie nicht so wichtig sind. So wie der Arzt, der Sezgin nach der Untersuchung wieder nach Hause geschickt hat. Ausdruck eines rassistischen Gesundheitssystems, das geflüchtete Menschen weniger ernst nimmt. So wie die Angestellten der ORS und der Securitas, die ein Taxi und nicht die Ambulanz gerufen haben. So wie bei Sezgin. So wie in vielen anderen Fällen. Ausdruck eines rassistischen Asylsystems, in dem Hilfe nicht für alle gleich ist, in dem nicht alle Menschen ernst genommen werden. Ihnen Verachtung entgegenschlägt.

Wir wissen darum! Und wir werden das immer wieder sagen. Immer wieder! Bis es besser wird. In Gedenken an Sezgin.


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AUFRUF: FLÜCHTLINGSRECHTE SIND MENSCHENRECHTE !

Vor Krieg, Tod, Unterdrückung, sowie Hunger und Armut sind Menschen gezwungen Flüchtlinge zu werden. Jeder Mensch besitzt von Geburt an universelle Grundrechte. In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wird dies wie folgt beschrieben:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.“

Die Folgen der globalen Kriege und Unterdrückungen in der Welt, werden von den Regierungen nicht ernst genommen. Menschenrechte werden missachtet, nicht gewährleistet und nicht garantiert. Die von 47 Staaten unterzeichnete Allgemeine Erklärung der Menschenrechtskonvention ist nur ein Schriftzug auf dem Papier.

Sezgin Dağ war ein Überlebender des Terroranschlags in der türkischen Grenzstadt Suruç, bei dem am 20. Juli 2015 ein Selbstmordattentäter der Dschihadistenmiliz IS (Islamischer Staat) 33 junge Menschen getötet und mehr als 100 verletzt hatte. Sezgin Dağ war eines der Schwerverletzten Opfer.

Seine Flucht aus der Türkei begann 2019. In der Türkei war seine oppositionelle politische Haltung bekannt. Er war in der Türkei ein aktives Mitglied in der ESP (Sozialistische Partei der Unterdrückten), der HDP (Prokurdische Demokratische Partei der Völker) und der IGIF (Föderation der Immigrierten Arbeiter in der Schweiz). Als politischer Flüchtling hatte er ein Asylgesuch im August 2020 in der Schweiz gestellt.
Er bat um das Recht auf Leben und Gesundheit.

Vor einem Jahr, am 13. November 2020, starb Sezgin Dağ, 41 Jahre alt, auf dem Weg ins Krankenhaus Aarberg an den Folgen von Fahrlässigkeiten.
Ein Jahr später übernimmt immer noch niemand die Verantwortung für seinen tragischen Tod.

Wir, die Familie von Sezgin Dağ, haben mit unseren Unterstützer*innen einen Kampf für Gerechtigkeit begonnen, um die Verantwortlichen für den Tod von Sezgin Dağ vor der Justiz zur Rechenschaft zu ziehen sowie das weitere Sezgins nicht mehr ums Leben kommen.

Am 13. November 2021 jährt sich der Jahrestag vom tragischen Tod von Sezgin. Wir laden Sie, unsere wertvollen Kameraden, Freunde und Menschenrechtsaktivisten zu diesem Kampf mit uns ein.