Gegen die Taliban sein, heisst auch Solidarität mit geflüchteten Afghan*innen

Über 400 Personen haben an der Kundgebung teilgenommen, die die Gewaltoffensive der Taliban kritisiert und die offizielle Schweiz auffordert, Afghan*innen, die flüchten müssen aufzunehmen und den bereits in der Schweiz lebenden Afghan*innen einen sicheren Status zu geben.

Demo gegen die Gewaltoffensive der Taliban, August 2021

Seit dem Truppenabzug der USA führen die Taliban in Afghanistan eine brutale Gewaltoffensive. Bereits besetzen sie fast das gesamte Land, das der Global Peace Index 2020 und 2019 als das gefährlichste Land weltweit einstufte. Solidarisches direktes Handeln von uns allen ist gefragt. 
Vom Bundesrat und dem SEM ist zu erwarten, dass sie ihre Möglichkeiten ausschöpfen.

Demonstration gegen die Gewaltoffensive der Taliban in Afghanistan, August 2021, Bern

Folgende Möglichkeiten hat die offizielle Schweiz nun, sich gegen die Taliban einzusetzen und den Menschen auf der Flucht keine Steine in den Weg zu legen:


Alle afghanische Geflüchtete erfüllen die Flüchtlingseigenschaften und brauchen Asyl

„Flüchtlinge sind Personen, die in ihrem Heimatstaat oder im Land, in dem sie zuletzt wohnten, wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Anschauungen ernsthaften Nachteilen ausgesetzt sind oder begründete Furcht haben, solchen Nachteilen ausgesetzt zu werden“ (Artikel 3, AsylG). Die offizielle Schweiz könnte gemäss Asylgesetz alle Afghan*innen, denen sowohl die Flucht wie auch die lange, gefährliche Reise – über Iran, Türkei, Griechenland, Balkanroute und einzelne EU-Staaten – bis in die Schweiz gelang, Asyl gewähren. Trotzdem lehnt das SEM dieses Jahr noch 86 % der Asylsuchenden aus Afghanistan ab. Dem SEM reicht es nicht, wenn eine Person floh, weil alle ihrer Gruppe verfolgt werden. Es verlangt, dass die Person den Talibans persönlich bekannt war und persönlich durch die Talibans verfolgt wurde. Das widerspricht der Auslegung des UNHCR in Bezug geflüchtete Personen aus Afghanistan: „Um die Flüchtlingseigenschaft zu erfüllen, ist es nicht erforderlich, dass die Schutzsuchende Person dem/den Verfolgungsakteur/en persönlich bekannt ist oder persönlich von diesem/n Akteur/en ausfindig gemacht wird. Auf ähnliche Weise können ganze Gemeinschaften begründete Furcht vor Verfolgung (…) haben“ (UNHCR, https://www.unhcr.org/dach/wp-content/uploads/sites/27/2019/07/afg_guidelines_2018.pdf)


„Vorübergehender Schutz“ (Ausweis S) für alle, die jetzt in die Schweiz fliehen
Die offizielle Schweiz kann auch über diesen Weg Menschen, die aktuell fliehen, direkt aufnehmen, sie schützen und ihnen die lange, gefährliche und teure Migrationsroute nach Europa ersparen. Der Bundesrat soll sofort die nötige Vernehmlassung eröffnen, um zu entscheiden. Im Asylgesetz steht: „Die Schweiz kann Schutzbedürftigen für die Dauer einer schweren allgemeinen Gefährdung, insbesondere während eines Krieges oder Bürgerkrieges sowie in Situationen allgemeiner Gewalt, vorübergehenden Schutz gewähren“. (Artikel 4, AsylG). „Der Bundesrat entscheidet (…) Er konsultiert zuvor Vertreterinnen und Vertreter der Kantone, der Hilfswerke und allenfalls weiterer nichtstaatlicher Organisationen sowie das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge.“ (Artikel 66, AsylG).

„Vorläufige Aufnahme“ (Ausweis F) für abgewiesene Afghan*innen in der Nothilfe
Anfang August hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Sonderflug von Österreich nach Afghanistan gestoppt. Den Abgeschobenen drohen in Afghanistan „nicht wiedergutzumachende Menschenrechtsverletzungen“, so der EGMR. Letzte Woche hat dann auch das SEM entschieden, in der Schweiz die geplanten Afghanistan-Abschiebungen zu stoppen. Schweizweit sind rund 200 Afghan*innen mit Negativentscheid in Nothilfe-Camps blockiert. Die offizielle Schweiz kann ihnen eine „vorläufige Aufnahme“ (Ausweis F) gewähren. Die SEM-Kriterien treffen zu: „Vorläufig Aufgenommene sind Personen, die aus der Schweiz weggewiesen wurden, wobei sich aber der Vollzug der Wegweisung als unzulässig (Verstoss gegen Völkerrecht), unzumutbar (konkrete Gefährdung des Ausländers) oder unmöglich (vollzugstechnische Gründe) erwiesen hat. Die vorläufige Aufnahme kann für 12 Monate verfügt werden und vom Aufenthaltskanton um jeweils 12 Monate verlängert werden.“ (vgl. Webseite SEM)

Ausweis C oder B für Afghan*innen, die schon seit Jahren mit Ausweis F leben müssen
Viele Afghan*innen leben bereits seit Jahren mit einer vorläufigen Aufnahme. Eine Rückkehr nach Afghanistan ist und bleibt für sie unzumutbar. Der Ausweis F geht leider mit einschneidenden Diskriminierungen einher z.B: auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Zudem sind die Bewegungsfreiheit und andere Freiheiten eingeschränkt. Die offizielle Schweiz soll all diesen Menschen eine stabilere Aufenthaltsbewilligung (Ausweis B oder C) erteilen. Sie kann es. 

We are migrants, refugees and solidary people. We want to put up resistance together.www.migrant-solidarity-network.ch

Spontandemonstration gegen die brutale Gewaltoffensive der Taliban in Afghanistan

Aufruf zur Spontandemonstration gegen die Gewaltoffensive der Taliban in Afghanistan, August 2021

Morgen Montag um 18.00 Uhr gibt es eine Protestkundgebung (bewilligt) gegen die Gewaltoffensive der Taliban in Afghanistan. Die Lage im gefährlichsten Land der Welt spitzt sich laufend zu. Die US-Truppen sind abgezogen und die Regierung verhält sich passiv, während die Taliban schon fast alle Gebiete Afghanistans erobert haben.

Die afghanische Gruppe My life in Switzerland und Migrant Solidarity Network rufen auf, gegen die schlimme Lage in Afghanistan zu protestieren. Wir drücken unseren Abscheu gegenüber den Taliban und ihren Unterstützer*innen aus.

Die Teilnehmer*innen werden gebeten, die Corona-Schutzmassnahmen einzuhalten.

Ort: Bern, Bundesplatz

Zeit: Montag, 16. August 2021: 18:00 Uhr

***  

فراخوان تجمع اعتراضی در شهر برن

تجمع اعتراضی بر علیه هجوم وحشیانه طالبان و دسیسه های سران حکومت افغانستان و قدرت های بزرگ، با حمایت برخی کشورهای دخیل.

باری دیگر همصدا همه با هم دراعتراض به شرایط وخیم افغانستان در صحنه حضور پیدا می کنیم و با حضور پر رنگ خود، خشم و انزجار خود را نسبت به طالبان و حامیانشان ابراز مینماییم.

محل تجمع : برن، در مقابل پارلمان سوئیس
زمان : دوشنبه، ۱۶ اگوست ۲۰۲۱
ساعت ۱۸:۰۰

از شرکت کنندگان در این گردهمایی خواهشمندیم پروتکل های بهداشتی اداره فدرال سوئیس را رعایت کنند.

#برن #سوئیس🇨🇭 #طالبان_افغانستانی #طالبان #افغانستان_کابل #ژنو #زوریخ #مزارشریف #کابل #هرات #اروپا #گردهمایی #تظاهرات_سراسر

***

Demonstration against the violent offensive of the Taliban in Afghanistan (approved)

Tomorrow Monday at 6 p.m. there will be a protest rally against the violent offensive of the Taliban in Afghanistan. The situation in the most dangerous country of the world is constantly coming to a head. U.S. troops have been withdrawn and the government is passive, while the Taliban have already conquered almost all areas of Afghanistan.

The afghan group My life in Switzerland and Migrant Solidarity Network call for protesting against the dire situation in Afghanistan. We express our disgust towards the Taliban and their supporters.

Participants are asked to respect the Corona protection measures.

Place: Bern, Bundesplatz

Time: Monday, August 16, 2021: 6:00 p.m.

Stoppt Eure Migrationspolitik! Kundgebung von Stopp Isolation vor dem SEM

Heute protestierte die Gruppe «Stopp Isolation» mit 100 Personen aus den Rückkehrzentren aus Aarwangen, Biel, Gampelen und dem Camp Sonnenblick aus St. Gallen, erneut vor dem SEM. «Wir waren bereits vor einem Jahr hier und haben erklärt, dass wir in den Zentren nicht wie Menschen behandelt werden. Seither hat sich nichts geändert. Die Rückkehrzentren werden sogar immer wie mehr wie Gefängnisse. Deshalb sind wir hier.» 

Kundgebung Stopp Isolation vor dem Staatssekretariat für Migration, Juni 2021

Von weiteren Redner*innen wurde geäussert, dass die Anwesenheitspflicht, die zum Teil täglichen Polizeikontrollen und Isolation von der Gesellschaft das Leben unerträglich machen. Zudem sei aktuell die Rede davon, dass Kameras in den Rückkehrzentren installiert werden sollen – ein weiterer Aspekt der Überwachung und Kontrolle: «Die Behörden sagen, dass diese Camps unsere zu Hause sind. Aber wer wird in seinem eigenen zu Hause mit Kameras überwacht?»

Nach eindrücklichen Reden wurde eine Delegation von nur drei Personen vom SEM empfangen. Der Sprecher des SEM empfing die Delegierten mit dem Satz: «Eigentlich sollt ihr als abgewiesene Asylsuchende gar nicht hier sein». Weiter behauptete er gegenüber den Delegierten vor allem, dass ihre Herkunftsländer ja sicher seien. Eine Diskussion über die Anliegen der Menschen in den Camps konnte nicht geführt werden. 

Der Respekt, den die Menschen in den Camps fordern, wurde ihnen heute nicht gewährt. «Liebe es oder lass es.». Dies ist die einzige Antwort, welche sie den Menschen aus den Rückkehrzentren gegeben haben.

Stoppt Eure Migrationspolitik, SEM!!!

Kundgebung Stopp Isolation vor dem SEM

Freitag, 25. Juni 2021, 13.15h

Ort: Staatssekretariat für Migration, Quellenweg 6, Wabern

Wir gehen erneut vor das SEM

Vor knapp einem Jahr waren wir, „Stopp Isolation“, eine Gruppe von geflüchteten Migrant*innen mit einem Negativentscheid, bereits vor dem SEM. Wir sind aus den Rückkehrzentren und Asylcamps schweizweit. Seither haben wir vor kantonalen Behörden und Parlamenten, in den Camps, vor dem Bundeshaus protestiert. 

Die Situation in den Rückkehrzentren hat sich nicht geändert: Die Gewalt gegen uns, die Respektlosigkeit und die Isolation bestimmen immer noch unseren Alltag.  Was wir schon lange über die Gewalt in den Zentren sagen, wird in der Öffentlichkeit nun vermehrt diskutiert. Das SEM hat aber bisher immer bestritten, dass es in den Asylzentren ein Gewaltproblem gibt. 

Deshalb sind wir erneut vor dem SEM und kämpfen gegen das unmenschliche Leben in den Rückkehrzentren und für Respekt und Würde. Deshalb wollen wir Arbeiten können und wenn wir einen Job haben auch das Recht zu bleiben.

Flyers in vielen Sprachen findest du hier: Arabisch, Tigrinya, Somali, Türkisch, Englisch, Französisch

Abolish Frontex

MSN unterstützt die transnationale Kampagne #abolish Frontex – auch in der Schweiz

In sieben Ländern (Österreich, Belgien, Kanarische Inseln, Deutschland, Marokko, Niederlande und Schweiz) starteten Aktionen gegen die Europäische Grenz- und Küstenwache Frontex. Die transnationalen Kampagne #AbolishFrontex ruft dazu auf, Europas tödliches Grenzregime zu definanzieren und abzuschaffen.

Bern, Juni 2021, Start #abolishfrontex
Bern, Juni 2021, Start #abolishfrontex

Die Koalition hat einen offenen Brief an die EU-Kommission, den Rat der EU, das Parlament, diverse Mitgliedstaaten und die Frontex-Führung verfasst. Darin erläutert sie die illegalen und unmenschlichen Praktiken der “Festung Europa” – Frontex ist aktiver Teil dieser unmenschlichen Praktiken.

Der Start der Kampagne #AbolishFrontex fällt mit einer massiven Ausbau von Frontex zusammen. Frontex hat ein gesichertes Budget von 5,6 Milliarden Euro bis 2027 und plant bis zu 10.000 bewaffnete Grenzschützer*innen einzustellen. Das Budget der Agentur ist seit 2005 um über 7560% gestiegen, wobei die neuen Mittel für den Kauf von Ausrüstung wie Schiffen, Hubschraubern und Drohnen verwendet wurden. Europa hat in dieser Zeit über 1.000 Kilometer Grenzmauern und Zäune gebaut.

Die Schweiz beteiligt sich finanziell und personell an Frontex: Mit 36-68 Millionen soll sich die Schweiz 2024 an Frontex beteiligen! Und auch CH-Grenzschützer*innen sind für Frontex im Einsatz, zum Beispiel in Kroatien und Griechenland, wo Menschen auf der Flucht mit brutaler Gewalt an der Weiterreise gehindert werden – alles im Dienste der Europäischen Abschottung und unter den Augen von Frontex.

Frontex ist Symbol eines Systems, dass auf Ausbeutung, Militarisierung und neokolonialen Wirtschaftsbeziehungen beruht – von diesem profitiert die Schweiz als wichtiger Finanzplatz und globaler Tiefsteuerhafen ganz besonders.

Deshalb fordert die Kampagne #AbolishFrontex einen grundlegenden Wandel: “Wir fordern nicht eine bessere europäische Migrationspolitik, sondern die Abschaffung von Frontex und der Militarisierung der Grenzen. Und wir werden Maßnahmen ergreifen, um dies zu erreichen.”

Homepage international: https://abolishfrontex.org/
Twitter: https://twitter.com/abolishfrontex

Schweiz:
Twitter: https://mobile.twitter.com/RiseAgainst_CH
   <https://mobile.twitter.com/RiseAgainst_CH>
Insta: https://www.instagram.com/rise.against.borders/
   <https://www.instagram.com/rise.against.borders/>

Aufruf und Informationen zum Mitmachen

Aufruf zur Solidarität gegen die Isolation in den Asylzentren

Kundgebung: Stopp Isolation. Keine Isolation in Asylzentren!
Ende Mai, Bern

Demonstration November 2020

Die Lage ist für geflüchtete Menschen in den Camps unhaltbar: Isoliert, entrechtet, kaum eigene Lebensgestaltung. Suizide und Suizidversuche sind keine Einzelfälle. Das System macht Menschen hoffnungslos und krank. Im Asylzentrum Sonnenblick bei Walzenhausen im Kanton St. Gallen versuchten sich innerhalb von 8 Monaten drei Menschen das Leben zu nehmen. Vollendete Suizide, wie der von Massoud Quadiri im August 2020 in Glarus treten mit einer derartigen Regelmässigkeit auf, dass es unverständlich ist, dass der Bund nicht eingreift und die Kantone zu einer weniger gewaltvollen Praxis anhält.

Ende Mai findet in Bern eine Kundgebung statt. Damit geflüchtete Menschen aus den Camps daran teilnehmen können, braucht es Geld für den Transport. Solidarisieren!

Verein Ticket for protest, 3018 Bern

Postkonto: CH15 0900 0000 1510 0908 8

Regierungsrat schmettert Petition #ShutDownORS ab

Es ist eine Niederlage. Wiederholt machten geflüchtete und nicht-geflüchtete Aktivist*innen und solidarische Organisationen darauf aufmerksam, dass die ORS Service AG in den von ihr verwalteten Asylcamps, Menschen einer Covid-Gefahr aussetzen. Die Petition #ShutDownORS wollte, dass der ORS Service AG Leistungsaufträge entzogen werden. Der Regierungsrat hat nun die Petition abgeschmettert.

Der Regierungsrat weist die Kritik in seinem Antwortschreiben vollständig zurück und lobt die ORS Service AG: „Nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit den von Ihnen vorgebrachten Vorwürfen stützt und würdigt der Regierungsrat die Arbeit der ORS.“ Kritikpunkte waren u.a., dass während der Corona-Pandemie für die Menschen in den Camps keine genügenden Isolationsmöglichkeiten vorhanden sind, Schutzmaterial wie Masken und Desinfektionsmittel nur zögernd und in geringer Anzahl zugänglich waren, keine separaten Sanitäranlagen – oder nur auf wiederholter Anfrage – zur Verfügung gestellt wurden etc. Der Gefahr der Ansteckung wurde nicht genügend Gewicht gegeben. 

Es ist in der Antwort des Regierungsrates nicht ersichtlich, ob und wie er die aufgeführten Kritikpunkte der geflüchteten Menschen in den Rückkehrzentren geprüft hat. Seine Antwort ist allerdings bezeichnend: Den direkt betroffenen Menschen, welche in Camps leben müssen, wurde kein Glauben geschenkt, denn es ist auf keiner der Kritikpunkte eingegangen worden. Dies obwohl aktuell durch einen Rundschaubericht aufgedeckt wurde, dass Gewaltvorfälle vom Sicherheitspersonal gegenüber geflüchteten Menschen in den von der ORS betriebenen Bundesasylzentren kein Einzelfall sind. Das SEM hat nun endlich – obwohl die Kritik schon lange an die Behörden herangetragen wurde – mit einer Untersuchungskommission reagiert. Auch bei diesen Vorfällen wurden die asylsuchenden Menschen in den Camps über Monate nicht gehört. 

Die Saloppheit mit der auch die Berner Regierung mit den Forderungen und Kritik umgehen, zeigt erneut die Entrechtung der Menschen mit negativem Asylentscheid in der Schweiz. In diesem Sinne: Die ORS Service AG muss weg.

Polizei räumt gezielt Familien auf der Flucht aus besetzten Häusern

English version below


DE: Die Regierung des Grenzkantons Una-Sana in Bosnien gab vor kurzem bekannt, dass sie durch Polizeigewalt gegen People on the Move (PoM) das Coronavirus bekämpfen und die allgemeine Sicherheit der Bevölkerung erhöhen wolle. Bisher traf die Polizeigewalt vorwiegend Familien auf der Flucht. Aktuell räumt die Polizei in Zusammenarbeit mit der International Organisation for Migration (IOM) gezielt Bauruinen und verlassene Häuser, in denen Familien wohnen. Am 17. April führte die Polizei in einem grenznahen Dorf, in welchem rund 190 flüchtende Migrant*innen in verlassenen Häusern und Zelten lebten, eine groß angelegte Räumungsaktion durch. Die IOM beteiligte sich an der Räumung, indem sie Familien mit Bussen in die von ihnen betriebenen Camps Sedra und Borići transportierten. Blindspots veröffentlichte hierzu einen Videobeitrag.

Auch in Velika Kladusa traf die angekündigte Polizeigewalt bisher vorwiegend Familien auf der Flucht. In der vergangenen Woche räumte die Polizei an zwei Tagen zwei Häuser, in welchen insgesamt mindestens fünf Familien lebten. Die Räumungen erfolgten in Zusammenarbeit mit der IOM, welche auf Anfrage der Polizei – Service for Foreigners’ Affairs (SFA) – die geräumten Familien in Camps transportierte. Mehrere der geräumten Familien verließen die Camps schon nach wenigen Tagen, um erneut in verlassene Häuser zu ziehen oder ihre Reise anderweitig fortzusetzen.

Nebst der zunehmenden Polizeigewalt innerhalb Bosniens kommt es auf der gesamten Balkanroute fortlaufend zu neuen Fällen von Grenzgewalt. Allein im März dokumentierte das Border Violence Monitoring Network (BVMN) in ihrem Monatsbericht 31 Fälle von Pushbacks, die insgesamt 671 flüchtende Migrant*innen trafen.


EN: Police selectively evicts families on the move

The government of the border canton of Una-Sana in Bosnia recently announced that it would use police violence against People on the Move (PoM) to combat the corona virus and increase the overall safety of the population. So far, police violence has primarily affected families on the move. On April 17, police carried out a large-scale eviction operation in a village near the border, where about 190 People on the Move were living in abandoned houses and tents. IOM participated in the eviction by transporting families by bus to the camps they run, Sedra and Borići. Blindspots published a video report on this.

In Velika Kladusa too, the announced police violence has so far mainly affected families on the move. Last week, the police evicted two houses on two days, in which a total of at least five families lived. The evictions were carried out in cooperation with the IOM, which at the request of the police – Service for Foreigners’ Affairs (SFA) – transported the evicted families to camps. Several of the evicted families left the camps after only a few days to move again into abandoned houses or to continue their journey elsewhere.

In addition to increasing police violence within Bosnia, new cases of border violence continue to occur throughout the Balkan route. In March alone, the Border Violence Monitoring Network (BVMN) documented 31 cases of pushback in its monthly report, affecting a total of 671 People on the Move.

https://www.facebook.com/blindspots.support/posts/237073504868754
https://www.klix.ba/vijesti/bih/pronadjeno-osam-migrantskih-porodica-u-devastiranom-objektu-na-podrucju-usk/210423095
https://www.borderviolence.eu/balkan-region-report-march-2021/
https://bih.iom.int/sites/bih/files/2021/Sitrep/IOM BiH External Sitrep_17-23 April_ Final.pdf

“Ich möchte dir eines sagen: Sie sind nicht menschlich” – Gespräch über Grenzgewalt

EN: „I want to tell you one thing: They are not human“ – Chat about border violence

DE: Im kroatisch-bosnischen Grenzgebiet erleben People on the Move fast täglich Gewalt durch die kroatische Polizei. Durch das Austauschen über Gewalterfahrungen besteht die Möglichkeit, diese teilweise zu verarbeiten. Zum Teil ist es für die von Gewalt betroffenen Menschen auch wichtig, das erlebte Unrecht bekannt zu machen, damit der dringend notwendige gesellschaftliche und politische Wandel möglich wird. Aber über soziale Netzwerke in einer Zweitsprache ohne längeres Vertrauensverhältnis über Gewalt zu sprechen, ist eine Herausforderung. Hier sind Auszüge aus einem Chat:

PoM: Hallo. Wir sind zwölf Leute in der Gruppe. Wir sind gerade vom Game zurückgekommen. Wir haben nichts. Bitte, wir brauchen bald Hilfe. Wir brauchen ein Handy und Powerbanks. Schuhe in den Größen 43, 42, 41, 45, 42, 42, 43, 44, 42, 43, 42, 43. Wir brauchen zwölf Shorts, T-shirts, Hosen in mittlerer Größe und zwölf Schlafsäcke.

A: Hallo. Ich kann versuchen, zu helfen. Eine Garantie kann ich dir aber nicht geben. Ich werde eine Gruppe fragen. Wurdet ihr abgeschoben?

PoM: Ja, vor zwei Tagen aus Kroatien.

A: Oh, das tut mir leid. Möchtest du deine Erfahrungen teilen und darüber sprechen?

PoM: Ja, natürlich. Wir waren in der Nähe der 65. Straße. Dort wurden wir von der kroatischen Polizei verhaftet. Sie haben uns alles weggenommen. Das gute Handy und das Geld und die anderen Sachen haben sie weggeworfen. Sie benehmen sich wie Tiere. Nicht nur mit uns, mit allen. Ich weiß nicht, was mit ihnen los ist.

A: Was haben sie mit euch gemacht?

PoM: Sie haben uns mit einem Rohr verprügelt. Sie wollen einfach nur schlagen. Sie sagen, gebt uns die Handys. Alles. Sogar die Shorts. Wir waren schockiert. Warum tun sie das? Was haben sie davon? Jeder weiß von der kroatischen Polizei und keiner sagt etwas. Wer bezahlt sie?

A: Sie werden bezahlt, um gewalttätig zu sein. Die kroatische Regierung zahlt die Löhne und die Regierung wird auch von Europa mitfinanziert.

PoM: Das ist wirklich schlimm. Ich bin schockiert. Wirklich schockiert. Europa hilft ihnen, Flüchtlinge zu schlagen. Möge Gott uns helfen.

A: Europa hat verschiedene Gesichter. Was haben sie gemacht, nachdem sie euch geschlagen und alles mitgenommen haben?

PoM: Ein Auto kam und hat uns sechs Stunden gefahren. Sie hatten Lüfter (AC?). Aber sie haben sie nicht angestellt. Wir haben zehnmal gesagt, sie sollen uns Wasser geben, aber sie haben nur gelacht.

A: Wohin haben sie euch gebracht?

PoM: Zuerst zu einer Polizeistation. Dann zur Grenze. Dort benutzten sie Stehlstöcke. Sie schlugen uns und sagten: Lauft! Ihre Gesichter waren mit schwarzen Masken bedeckt. Wir haben ihre Gesichter nicht gesehen. Sie trugen schwarze Uniformen mit kroatischer Flagge.

A: Haben sie dich gefragt, ob du in Kroatien Asyl brauchst?

PoM: Nein.

A: Hast du nach Asyl in Kroatien gefragt?

PoM: Nein. Keineswegs.


Spendenaufruf: Einige vom Migrant Solidarity Network sind derzeit in den bosnischen Städten Bihać und Velika Kladuša an der Grenze zu Kroatien. Willst du ein hilfreiches Zeichen gegen die Folgen von Abschottung, Überwachung, Pushbacks und Entmenschlichung setzen und dein Geld teilen für Nahrungsmittel, Kleider und Schuhe für (geflüchtete) Migrant*innen?

Kontoangaben: CH72 0900 0000 6024 4887 5, Bleiberecht für alle Bern, 3000 Bern


EN: „I want to tell you one thing: They are not human“ – Chat about border violence

In the Croatian-Bosnian border region, People on the Move experience violence by the Croatian police almost every day. Sharing experiences of violence gives the chance to partially cope with them. In part, it is also important for people affected by violence to make the injustice they have experienced known, so that the urgently needed social and political change becomes possible. But talking about violence via social networks in a second language without a longer relationship of trust is challenging. Here are extracts from a chat:

PoM: Hi. There are twelve of us in the group. We just came back from the game. We have nothing. Please, we need help soon. We need a phone and power banks. Shoes in the size 43, 42, 41, 45, 42, 42, 43, 44, 42, 43, 42, 43. We need twelve shorts, t-shirs, pants in medium size and twelve sleeping bags.

Activist: Hi. I can try to help. I can not give you a guarantee. I will ask a group. Were you deported?

PoM: Yes, two days before from Croatia.

A: Oh, I am sorry. Do you want to share your experience and talk about it?

PoM: Yes of course. We were near the 65th street. There, we were arrested by the Croatian police. They took everything from us. They good mobile and the money and they throw the other things. They behave like animals. Not just with us, with everyone. I don’t know what is wrong with them?

A: What were they doing to you?

PoM: They were beating us with a pipe. They just want to hit. They say give us the mobile phones. Everything. Even shorts. We were shocked. Why are they doing this? What is the benefit to them? Everyone knows about Croatia police and no one says something. Who is paying them?

A: They are payed to be violent. The Croatian government is paying the wages and the government is also co-financed by Europe.

PoM: That is really bad. I am shocked. Really shocked. Europe is helping them to hit refugees. May God help us.

A: Europe is having different faces. What were they doing after they hit you and took everything?

PoM: A car came and drove us six hours. They had fans (AC?). But they where not turning them on. We said ten times to give us water but they where laughing.

A: Where were they bringing you?

PoM: First to a police station. Then to the border. There used steal sticks. They hit us and said: run! Their faces were covered by black masks. We didn’t seen their faces. They wear black uniforms with Croatian flags.

A: Were they asking if you need asylum in Croatia?

PoM: No

A: Were you asking for asylum in Croatia?

PoM: No. Not at all.


Call for Donations: Some from Migrant Solidarity Network are currently in the Bosnian towns of Bihać and Velika Kladuša on the border with Croatia. Do you want to send a helping sign against the consequences of isolation, surveillance, pushbacks and dehumanization and share your money for food, clothes and shoes for People on the Move?

Account Details: CH72 0900 0000 6024 4887 5, Bleiberecht für alle Bern, 3000 Bern

Ein weiterer Sonderflug nach Äthiopien?

Letzte Woche hat MSN erfahren, dass ein Äthiopier in Ausschaffungshaft im Regionalgefängnis in Moutier ist. Befürchtungen liegen in der Luft, dass es in Europa zu weiteren Ausschaffungen nach Äthiopien kommen könnte.

Unser Freund hat ein abgewiesenes Asylgesuch in der Schweiz. Die schweizerischen Behörden drohen ihm, dass er nach Deutschland ausgeschafft werden solle. Die Begründung ist unklar. Deshalb befürchtet MSN, dass ein Sammelflug verschiedener europäischer Länder nach Äthiopien stattfinden könnte. 

Der letzte Sonderflug wurde Ende Januar von der Schweiz organisiert. Acht Menschen aus unterschiedlichen europäischen Ländern wurden nach Äthiopien ausgeschafft. Eventuell wird der nächste Flug von Deutschland organisiert?

In Äthiopien herrscht Krieg: Über 320’000 Menschen sind intern auf der Flucht. Betroffen von der Gewalt ist vor allem die Zivilbevölkerung. Ein sicheres Leben ist für niemanden im Moment möglich. Viele Organisationen kritisieren die Zwangsausschaffungen nach Äthiopien.

Hinweise auf den stattfindenden Sonderflug: info@migrant-solidarity-network.ch