Solidarität mit Demo: Psychische Gesundheit für alle

Aktuell leben über 2000 abgewiesene geflüchtete Personen in den Nothilfe-Lagern in der Schweiz. Die Lebensbedingungen an diesen Orten machen psychisch und physisch krank. Dies bezeugen unzählige Berichte von betroffenen Personen und wird von verschiedenen Studien bestätigt. 

Illustration: Marlen Keller, Luzern – https://marlenkeller.ch/

Ein 2022 erschienener Bericht von medizinische Expert*innen bezeugt, dass das Nothilferegime die bereits prekären Lebensumstände von geflüchteten Personen durch die menschenunwürdigen und klar menschenrechtswidrigen Verhältnisse weiter verschärft. In der Studie wird v.a. auch der ungenügende Zugang zu psychologischer Unterstützung aufgezeigt. Eine 2024 veröffentlichte Studie über die Situation von Kindern und Jugendlichen in der Nothilfe kommt ebenfalls zu einem eindeutigen Befund: Das Nothilferegime gefährdet die Gesundheit, Entwicklung und das Wohl der betroffenen Kinder und Jugendlichen. 

Nothilfe: Psychische Zermürbung als Strategie

Die katastrophalen Umstände in der Nothilfe sind aus Sicht der Behörden jedoch kein Defekt, sondern Teil des Programms. In den Leistungsverträgen der Kantone mit den zuständigen Organisationen steht, dass das Setting des Lagers dazu beitragen soll, «dass Ausreisepflichtige sich rasch darum bemühen, selbstständig die Schweiz zu verlassen.» Konkret: Enge Räume, wenig Privatsphäre, strikte Regeln und kaum Spielraum zur Selbstständigkeit in den Camps und ausserhalb. Perspektivelosigkeit und psychischer Druck bis Leute daran zerbrechen.

Bundesasylzentren: Überforderung und Unterforderung als Alltag

Auch die Zustände in anderen Camps des Asylwesens machen psychisch krank. In den Bundesasylzentren (BAZ) sind Selbstschädigungen und Suizidversuche alltäglich. Laut einer Studie von Unisanté kommt es in den BAZ Boudry, Vallorbe und Giffers jede Woche zu 1–4 Suizidversuchen/Selbstschädigungen (Unisanté 2022).

Administrativhaft: Suizide als Normalzustand

Die Haftbedingungen in Ausschaffungsgefängnissen werden schon lange von der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) kritisiert. Untersuchungen (SBBA 2025) zeigen, dass die Suizidrate in Administrativhaft sechs- bis siebenmal höher ist als in Freiheit. Zwangsausschaffungen werden von Behörden direkt aus Psychiatrien vollzogen – eine völlige Missachtung des psychischen Zustands der Personen und Beleg dafür, dass die psychische Zermürbung im System in Kauf genommen wird. So scheuen sich die Behörden nicht, Menschen direkt aus den Psychiatrien auszuschaffen (SRF 2025).

Psychotherapeutische Begleitung in einem krankmachenden Umfeld

In allen diesen Institutionen ist die Gefährdung der psychischen Gesundheit der Personen systemisch angelegt. Sie wird durch die Strukturen verursacht, von den Behörden in Kauf genommen oder gar gefördert. Psychotherapeutische Unterstützung ist für die betroffenen Personen nur schwer zugänglich. Wenn sie therapeutisch begleitet werden, dann oft nicht lange genug, nie mit Selbstverständlichkeit und oft nicht von derselben Fachperson. Darüber hinaus verunmöglichen die Rahmenbedingungen häufig einen nachhaltigen Heilungsprozess. 

Psychische Gesundheit für alle!

Die psychotherapeutische Versorgungskrise im Migrations- und Asylbereich ist nicht nur die Folge von Fachkräftemangel und Bürokratie. Sie ist die Konsequenz einer rassistischen und klassenfeindlichen Migrationspolitik, die der psychischen Gesundheit gewisser Menschen kaum Relevanz beimisst oder diese sogar fördert um deren Ausreise zu bewirken.

Psychische Gesundheit für alle beginnt dort, wo «für alle» auch diejenigen einschliesst, die in Lagern isoliert und in Gefängnissen weggesperrt werden. Gerade dort, wo Menschen isoliert sind, sollte der Zugang zu Unterstützung und psychotherapeutischer Begleitung selbstverständlich sein. Die bürokratiscen Hürden, aber auch die Isolation müssen abgebaut werden. Psychische Gesundheit  beginnt dort, wo das politische System gewollt die Psyche zerstört. Als Sand im Getriebe. Als Gegenwehr. Als Massnahme der Menschlichkeit. 

Quellen: