Das Migrant Solidarity Network, Medina, augenauf Bern, die Demokratischen Jurist*innen Bern und humanrights.ch sind alarmiert über die Zustände in den Berner Regionalgefängnissen. Das Amt für Justizvollzug (AJV) trägt die Verantwortung, das Recht auf Leben von inhaftierten Personen genügend zu schützen. Ob dies aktuell gelingt, ist fragwürdig. Am 19. Januar 2025 starb im Regionalgefängnis Burgdorf eine inhaftierte Person und am 5. Februar 2025 beging im Regionalgefängnis Bern eine inhaftierte Person Suizid. In einem gemeinsamen Brief wenden sich die Organisationen deshalb mit Fragen an das Amt für Justizvollzug (AJV).

Es besteht die Befürchtung, dass diese Todesfälle im Zusammenhang mit der massiven Überbelegung der Gefängnisse und der dadurch verursachten rechtswidrigen Haftbedingungen geschehen sind. Zielgrösse ist eine Belegung von 85 Prozent. Aktuell liegt die Überbelegung in Burgdorf bei 146% und in Bern sogar bei 149%. Verbesserungen sind bisher nicht absehbar.
„Überbelegung ist problematisch, da sie sich negativ auf die inhaftierten Personen auswirkt und das Risiko von Selbstverletzungen und Suiziden erheblich erhöht.“ Livia Schmid, Leiterin Beratungsstelle Freiheitsentzug von humanrights.ch
Die Nationalen Kommission zur Verhütung der Folter (NKVF) kritisierte die Zustände in den Gefängnissen bereits mehrfach
2023 erschienen die Empfehlungen der NKVF betreffend des Regionalgefänisses Burgdorf. 2019 jene für das Regionalgefängnis Bern. Der Brief der Organisationen geht deshalb der Frage nach, inwiefern die NKVF-Empfehlungen im Kanton Bern ernst genommen und umgesetzt werden. Regierungsrat Philippe Müller bagatellisierte den im Mai 2023 erschienenen Bericht der NKVF. „Diese soll «Folter» verhüten. Diverse Empfehlungen der NKVF gehen weit darüber hinaus und haben nichts mehr mit Folter-Vermeidung zu tun.“ Menschenrechtlichen Ansprüche auf Zugang zu einem freundlichen Spazierhof mit Sportgeräten ordnet er zynisch dem „Wellness-Bereich“ zu.
„Philippe Müller nimmt die Warnungen vor unmenschlicher Behandlung in Berner Gefängnissen nicht Ernst und spielt mit dem Menschenrecht auf Leben.“ Migrant Solidarity Network
Konkrete aktuelle Beispiele weisen auf gravierende strukturelle Probleme in den Regionalgefängnissen Bern und Burgdorf hin
- Zelleinschluss von 23 Stunden am Tag
- Zellen mit mangelhafter Licht- und Frischluftzufuhr aufgrund der Fenster, die aus Milchglas bestehen und nicht geöffnet werden können
- ungenügende medizinische Begutachtung und Versorgung
Eine umfassende, externe Untersuchung ist dringend nötig
Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verpflichtet den Staat, schädliche Strukturen im Freiheitsentzug zu beheben und aussergewöhnliche Todesfälle sorgfältig und umfassend aufzuarbeiten, damit Massnahmen getroffen werden, um in Zukunft ähnliche Todesfälle zu verhindern.
“Angesichts der aktuellen Todesfälle im Kontext von Überbelegung muss dringend eine unabhängige externe Untersuchung gestartet werden.” Marlen Stöckli, Co-Geschäftsleiterin der Demokratischen Jurist*innen Bern
Um strukturelle Probleme sichtbar zu machen, reicht eine Strafuntersuchung nicht aus. Eine Strafuntersuchung sucht vor allem nach individuellen Täter*innen nicht nach strukturellen Ursachen.