Polizeigewalt: Mehdi wird noch vor Prozessende abgeschoben

Mehdi wurde im Juni in Bern Opfer von rassistischer Polizeigewalt. Statt Mehdi zu unterstützen, damit er sich juristisch gegen die Polizei wehren kann, liess der Berner Migrationsdienst den abgewiesenen Asylsuchenden gestern nach Deutschland abschieben. Dabei ist sein Prozess gegen die gewalttätigen Polizist*innen noch am laufen.

„Die Behörden schützen sich gegenseitig“

Migrant Solidarity Network

Am 11. Juni 2021 erlebte Mehdi während einer rassistischen Personenkontrolle brutale Polizeigewalt

Polizist*innen hielten ihn am Boden fest, schlugen ihn und drückten ihm längere Zeit mit dem Knie auf den Hals. Mehdi konnte nicht mehr atmen. Später verlor er das Bewusstsein und wurde reglos in einen Polizeitransporter geworfen. Die Kontrolle endete für ihn mit einem gebrochenen Arm und einem gebrochenen kleinen Finger. Weil Journalist*innen den Übergriff zufällig beobachtet und photographiert haben, gab es ein mediales Interesse und die gewaltvolle Polizeiaktion wurde in der Öffentlichkeit disskutiert. Die Journalist*innen verfassten zwar Artikel, veröffentlichten Fotos der verstörenden Gewaltszene und besuchten Mehdi im Gefängnis für ein Interview. Juristisch verzichteten die Journalist*innen jedoch darauf, die Polizei anzuzeigen. Dies mit der Begründung, nicht als Partei in einem Verfahren auftreten zu wollen. Zum Einen wäre dies aber nicht notwendig gewesen, da sie im Prozess als Privatpersonen auftreten hätten können und zum Anderen stellt sich die Frage, ob sie Journalist*innen auch auf eine Anzeige verzichtet hätten, wenn es sich bei den Täter*innen NICHT um die Polizei handeln würde. Wo ist da die Gerechtigkeit für Mehdi? Amtsmissbrauch muss Konsequenzen haben – auch in der Polizeiarbeit.

Der Berner Migrationsdienst nutzte seinen Handlungsspielraum gegen Mehdi und für die Polizei

In körperlich schlechtem Zustand wurde Mehdi unmittelbar nach dem Übergriff in Moutier in Ausschaffungshaft genommen. Die Behörden isolierten ihn nicht nur vom sozialen Umfeld, sondern erschwerten ihm auch den Zugang zu Rechtsvertretenden sowie psychologischer und medizinischer Unterstützung. Mehdis psychischer Zustand hat sich seit dem Übergriff und der langen Zeit in Haft dermassen verschlechtert, dass er versuchte, sich das Leben zu nehmen. Die dringend notwendige psychologische Untersützung blieben ihm in den 6 Monaten in Haft verwehrt und sein gebrochener Arm wurde auschliesslich mit Medikamenten behandelt. Diese ungerechte Behandlung gipfelte gestern in seiner Abschiebung. Weil Mehdi in Deutschland bereits Asyl beantragt hatte, entschloss sich der Berner Migrationsdienst, die Möglichkeit einer Dublin-Abschiebung zu nutzen. So verhindert er, dass sich Mehdi vor Gericht wirksam gegen rassistische Polizeigewalt wehren kann.  Mehdi wurde am 25.11.2021, angeordnet durch den Migrationsdienst, von der Polizei an der Grenze von der Schweiz zu Deutschland aus seiner 6-monatigen Haft entlassen. Ohne Geld, ohne Winterjacke – überhaupt ohne Nichts. In Deutschland droht Mehdi die Abschiebung nach Marokko. Dies, nachdem Mehdi das Mittelmeer mit einem Boot überquert und sein Leben riskiert hatte, um Marokko zu verlassen. 

Für Menschen wie Mehdi, Menschen aus dem Globalen Süden, gelten keine Rechte

Mehdi hat auf der Strasse gelebt und nichts bessesen. Und trotz all dem, ist es der Polizei und den Behörden gelungen, ihn noch mehr zu entrechten. Mehdi bleibt kein Recht auf Rechte! Das Migrant Solidarity Network verurteilt, dass das geltende (un-)Recht in der Schweiz und die ausführende Instanzen vorwiegend weisse, privilegierte Menschen mit Aufenthaltspapieren – namentlich die Polizei – schützt. Mehdis Erfahrung zeigt, wie ein rassistischer Apparat schutzsuchende Menschen in unwürdige Lebensbedingungen bringt, ihre Existenz illegalisiert und somit kriminalisiert und sie entrechtet. Wir – Freund*innen von Mehdi, BIPOC und weisse Menschen, geflüchtete oder in der Schweiz aufgewachsene Menschen – haben die Verantwortung hinzusehen, zu handeln und rassistische Diskriminierungen aller Art – durch die Polizei, das Recht und den Staat sowie in der Gesellschaft – nicht länger zu akzeptieren. Ein Angriff auf einen von uns ist ein Angriff auf alle von uns. 

Wir fordern:

  • Das Bleiberecht für Mehdi und alle Menschen
  • Sofortiges Berufsverbot für die gewaltätigen Polizeibeamt:innen
  • Unabhängige Beschwerdestellen bei Polizeigewalt sowie unabhänige Untersuchungsinstanz gegen rassistiscche Polizeigewalt und Racial Profiling
  • Das Institutionalisieren von dauerhaften Lösungen gegen Racial Profiling
  • Die sofortige Schliessung von Ausschaffungsgefängnissen und Rückkehrzentren
  • Gleicher Zugang zu Arbeit, Gesundheit und Bildung
  • Ein würdiges und freies Leben für geflüchtete Menschen