Rund 100 Geflüchtete aus Äthiopien und solidarische Personen aus der ganzen Schweiz haben heute Nachmittag vor dem Staatssekretariat für Migration (SEM) gegen die laufenden Zwangsausschaffungen nach Äthiopien demonstriert. Auf Schildern und Transparenten waren Aufschriften wie etwa „Äthiopien ist kein sicheres Land“, „Nothilfe ist psychische Folter“, “Bleiberecht jetzt“ oder „Ausschaffungen sind nie eine Lösung“ zu lesen. Eine Delegation traf sich mit Vertreter*innen des SEM und überreichte diesen eine Stellungnahme mit Forderungen.
- Das SEM soll anerkennen, dass Äthiopien kein sicherer Staat ist.
- Das SEM soll Ausschaffungen nach Äthiopien stoppen.
- Das SEM soll jegliche Zusammenarbeit mit dem NISS stoppen.
- Das SEM soll Geflüchteten mit Lebensmittelpunkt in der Schweiz ein Bleiberecht und eine sichere Perspektive ermöglichen.
Dieses Jahr hat die offizielle Schweiz bereits 2 Personen nach Äthiopien zwangsausgeschafft. Unter den rund 300 abgewiesenen Geflüchteten aus Äthiopien herrscht deshalb grosse Angst. Das ist eine Erklärung dafür, dass seit Jahresbeginn bereits 46 Personen untergetaucht sind. Auch die 26 sogenannt „freiwilligen“ Rückkehrer*innen haben sich vermutlich aus Angst zu dem Schritt entschieden.
Bevor Äthiopien einer Zwangsausschaffung zustimmt, schickt das Land den Geheimdienst NISS zur Identifikation von Staatsbürger*innen in die Schweiz. Viele anerkannte Geflüchtete aus Äthiopien wurden von genau diesem Geheimdienst überwacht, verfolgt und gefoltert. Gewisse haben genau deshalb Asyl in der Schweiz erhalten. Vom NISS geht auch heute Gefahr aus.
Mit den Ausschaffungen nimmt die offizielle Schweiz Leiden und eventuell sogar den Tod der Betroffenen in Kauf, denn Äthiopien ist kein sicherer Staat. Die Ethiopian Human Rights and Democracy Taskforce und das Migrant Solidarity Network, die zur Demonstration aufgerufen haben, sind der Ansicht, dass sich die Situation, die das Bundesverwaltungsgericht im Referenzurteil vom 6. Mai 2019 dazu bewogen hat, Zwangsausschaffungen zuzustimmen, verschlechtert hat.
2018 mussten über 2.9 Millionen Menschen wegen ethnischen Konflikten in Äthiopien fliehen. Nirgends in der Welt werden so viele Menschen innerhalb ihres Landes vertrieben. Am 23. Juni 2019 fand ein regionaler Putschversuch statt. Hunderte wurden daraufhin willkürlich verhaftet – das Internet für sechs Tage abgeschaltet. Auch sind die Grenzen zu Eritrea seit April 2019 wieder geschlossen und der Friedensprozess ist auf Eis gelegt. Ob die im Mai 2020 geplanten Wahlen durchgeführt werden können, ist wegen den Konflikten etwa so unklar wie die Durchführung der vom neuen Präsidenten versprochenen Reformen. Äthiopien bleibt eines der ärmsten Länder der Welt. Geflüchtete die gewaltsam ausgeschafft werden, riskieren Gewalt, Krieg und Armut.