Schlimme COVID-19-Situation in berner Rückkehrzentren

COVID-19: Die ORS AG, das Amt für Bevölkerungsdienste ABEV und das Kantonsarztamt setzen abgewiesene Geflüchtete bewusst der Gefahr einer Ansteckung aus

In Institutionen, in denen viele Menschen leben, ist es an sich selbstverständlich, dass die Verantwortlichen alles unternehmen, um am Coronavirus erkrankte Menschen gut zu betreuen und nicht-erkrankte Personen gut vor der Krankheit zu schützen. Die Einhaltung der Vorschriften des Bundesamts für Gesundheit (BAG) bieten dafür eine nicht zu unterschreitende Richtschnur. Die Art und Weise wie Institutionen diese Arbeit angehen, zeigt, welchen Wert unterschiedlichen Gruppen von Menschen und ihrer Gesundheit zugeschrieben wird. Leider ziehen die Aktivist*innen von #StopIsolation, die in den Rückkehrzentren des Kantons Bern leben müssen und das Migrant Solidarity Network eine verheerende Bilanz: Die Zustände in den Rückkehrcamps sind für die darin lebenden Menschen gefährdend und die Betreuung schlecht. Folgendes haben wir in den letzten Wochen festgestellt:

  • In den Camps Gampelen und Aarwangen isolierte die ORS AG infizierte und erkrankte Personen sowie sich in Quarantäne befindende Menschen während Tagen, ohne ihnen Nahrungsmittel und saubere Kleider zu geben.
  • Einige Personen, die engen Kontakt zu infizierten Personen hatten, werden nicht isoliert, obwohl das BAG dies vorschreibt.
  • Die Quarantäne-Pflicht lässt sich nicht umsetzen, da erkrankte Personen oft immer noch die Küche und das Badezimmer mit anderen Bewohnenden teilen müssen.
  • In den Camps Worb und Gampelen sperrte die ORS AG infizierte und erkrankte Personen in einem Trakt ein. Das ist Freiheitsberaubung.
  • Im Camp Aarwangen gab es lange nicht genügend Schutzmasken, Desinfektionsmittel und Seife. Menschen stand während Tagen nur eine Schutzmaske zur Verfügung.
  • Unter anderem in Gampelen wurde während Tagen die Internetverbindung gekappt. Die Bewohnenden hatten so weder die Möglichkeit, die Öffentlichkeit über ihre Situation zu informieren, noch hatten sie Zugang zu Informationen über das Virus, was zusätzlichen Stress auslöste.

Dies sind nur einige Beispiele der Situation, die sich momentan in den Rückkehrzentren abspielt. Viele der Bewohnenden sind in grosser Angst um ihre Gesundheit und fürchten sich vor Ansteckungen. Die Menschen sind in den Camps zwangsuntergebracht. Sie haben meist keine Möglichkeit, dieses zu verlassen und sich vor einer Ansteckung zu schützen und sind dadurch der Willkür der Behörden ausgeliefert.  Verantwortlich für die Notlage sind die ORS AG, das Amt für Bevölkerungsdienste (ABEV) sowie das Kantonsarztamt. Und alle drei weigern sich, die Schutzmassnahmen des BAGs in den Rückkehrzentren umzusetzen. Es scheint: (1) als wolle die ORS AG lieber Kosten einsparen als die BAG-Vorschriften einzuhalten; (2) als wolle das ABEV lieber die Arbeit der ORS schönreden als Verantwortung zu übernehmen; (3) als wolle das Kantonsarztamt seine Verantwortung lieber abgeben.

Als sich die Meldungen von geflüchteten Aktivist*innen über die unhaltbaren Zustände in den Camps häuften, wurde das ABEV in einem Schreiben zum Handeln aufgefordert. Dieses weist (wie bereits bei den Protesten und Forderungen von #StopIsolation) sämtliche Vorwürfe von sich, weicht Fragen aus, macht offensichtliche Falschaussagen und lobt sich selbst. Schwerwiegende Missstände und Fehlentscheide werden als „unbeabsichtigte Missverständnisse“ dargestellt:

  •  Auf den Vorwurf der fehlenden Quarantänemöglichkeit meinte das ABEV: „Sämtliche nachweislich erkrankten Personen wurden in Isolation sowie Familienmitglieder und nahestehende Personen zwecks Quarantäne in Einzelzimmer verlegt. Erkrankte Personen oder solche mit ausstehendem Testergebnis werden nicht in denselben Zimmern wie gesunde Bewohnerinnen oder Bewohnern untergebracht.“ Mehrere Bewohnende des Camps haben jedoch unabhängig voneinander berichtet, dass infizierte und nicht infizierte Menschen im gleichen Zimmer waren. Erst durch Druck von aussen hat sich die Zentrumsleitung später für eine bessere Umsetzung der Quarantänepflicht entschieden und die Menschen separiert.
  • Auch beim Zugang zum Internet steht die Aussage des ABEV, dass das Internet in den Aufenthaltsräumen zur Verfügung stehe, gegen dutzende Stimmen von Bewohnenden, die tagelang ohne Zugang zu Internet lebten.
  • Auf die Vorwürfe, dass erkrankte und nicht erkrankte Personen Küche und WC teilen, schreibt das ABEV: „Für alle betroffenen Personen stellt die ORS separate Sanitäranlagen zur Verfügung. Die an COVID-19 erkrankten Personen dürfen die Isolationszimmer nur mit Mundschutz und Handschuhen verlassen, die Verpflegung muss im Zimmer und nicht in den Gemeinschaftsräumlichkeiten zubereitet werden. Die Verpflegung wird durch die ORS zur Verfügung gestellt und vor den Isolationszimmer deponiert.“ Viele Bewohnende berichten jedoch, dass positiv getestete Menschen auf dem Flur, in der Küche oder auf den Toiletten anzutreffen seien. In Gampelen erhielten die Menschen in Quarantäne während zwei Tagen kein Essen, bis Menschen aus der Zivilgesellschaft Essen vorbeibrachten. 

Diese Feststellungen zeigen, dass die Gesundheit von Menschen in den Rückkehrcamps als weniger wichtig angesehen wird als die Gesundheit anderer. Hier liegt Rassismus vor. Stop Isolation und Migrant Solidarity Network fordern, dass sich auch abgewiesene Geflüchtete gemäss den BAG-Massnahmen gegen das Coronavirus schützen können. Da dies in der institutionellen Einrichtung der Rückkehrzentren nicht Corona-konform umgesetzt werden kann, müssen die Rückkehrzentren geschlossen werden. Den Bewohnenden müssen dringend Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden, in denen sie sich und ihre Mitmenschen genügend vor dem Coronavirus schützen können.

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