Demonstration gegen Ausschaffungen nach Äthiopien und gegen den schmutzigen Deal mit dem äthiopischen Regime

Am 8. Juni haben in Bern über 400 Personen demonstriert. Die Protestierenden waren Grossmehrheitlich geflüchtete Personen aus Äthiopien. Sie sind mit Cars aus der ganzen Schweiz angereist. Die Kundgebung richtete sich gegen den schmutzigen Ausschaffungsdeal, den die EU und die Schweiz mit dem autoritären und menschenrechtsverletzenden Regime in Äthiopien abgeschlossen haben.

„Uns droht die gewaltsame Ausschaffung in das Land, aus dem wir fliehen mussten. Flucht ist kein Verbrechen, deshalb kämpfen wir für unsere Rechte“, erklärt ein Sprecher am Mikrophon.

Organisiert wurde die Demonstration von der Ethiopian Human Rights and Democracy Task-Force in Switzerland (EHDTS) und der Oromo Cunmunity in Switzerland. Trotz der Dringlichkeit und Wichtigkeit des Anliegens verhinderte die Stadt Bern, dass die Demonstration auf dem gut sichtbaren Waisenhausplatz stattfinden konnte. Die Bewilligungsbehörde gab an, dass sich die Schüler_innen der Inlingua Sprachschule von der Demonstration gestört fühlen könnten. Eine Bewilligung wurde ausschliesslich für den Helvetiaplatz erteilt.

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Medienreaktionen

Blick, Le Matin, Luzerner Zeitung, Radio Bern

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English press release

Our organization, Ethiopian Human Right and Democracy Task-Force in Switzerland, together with the Oromo community in Switzerland, is organizing a demonstration against the forced deportation of Ethiopian refugees. The demonstration took place on the 8th of June 2018 at Helvetiaplatz in Bern, from 13:00 to 15:00 o‘clock.

We are demonstrating against the fact that the Swiss Government intends to apply the same agreement regarding the forced deportation of Ethiopian asylum seekers which the EU has formed with the Ethiopian government. The deportation agreement does not acknowledge the considerable risk which Ethiopian refugees face in their home country if they are made to return forcibly. Especially the involvement of the NISS (National Intelligence and Security Service) in proofing the identities of refugees will make the chance of arrest and the torture of forced deportees a likely threat, as the NISS is the brutal hand of the dictatorial regime in Ethiopia. We want to demonstrate our concerns to the Swiss Authorities and make them denounce the agreement.

The Swiss Authorities need to understand that most refugees in the Ethiopian Diaspora in Switzerland have been involved in the long struggle of bringing a democratic change to Ethiopia as well as being a voice for the voiceless in the country and face a specific risk of being arrested upon return. As you may well know, the country is still under a state of emergency and the political and Human Rights situation in Ethiopia remains desolate: torture and forced displacement on the grounds of ethnic background are still common practice of the dictatorial regime. Under these conditions forced deportations of Ethiopian refugees from Switzerland to Ethiopia means putting our lives at risk!

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Communiqué de presse en français

Le groupe de travail pour les droits humains et la démocratie en Ethiopie en Suisse (Ethiopian Human Right and Democracies Task-Force in Switzerland, EHDTS) et la Communauté Oromo en Suisse luttent contre les renvois forcés de réfugiés vers l’Éthiopie. Une grande manifestion a eu lieu le 8 juin 2018, de 13h – 15h sur la Helvetiaplatz à Berne.

La manifestation s’oppose à l’accord signé entre l’Union européenne et le gouvernement éthiopien. L’accord prévoit des renvois forcés de réfugiés. La Suisse veut également appliquer cet accord. Les autorités doivent prendre en compte les risques élevés auxquels les réfugiés éthiopiens seraient confrontés en cas de renvoi forcé.

Nous critiquons également la collaboration avec les services secrets éthiopiens (National Intelligence and Security Service Specialy, NISS). Selon l’accord, le NISS sera responsable de l’identification de réfugiés éthiopiens qui seront renvoyés de force. Or le NISS représente la main brutale du régime dictatorial en place en Ethiopie. Nous rendons les autorités suisses attentives au fait que cette circonstance augmente massivement les risques de torture et d’arrestation pour les personnes concernées. Nous revendiquons donc que les autorités Suisse résilient l’accord.

La majorité de la diaspora éthiopienne en Suisse lutte depuis longtemps en faveur de la démocratie en Ethiopie. Elle s’engage à donner une voix à ceux qui n’en ont pas. Nous le faisons, parce que l’Ethiopie est un pays soumis à l’état d’urgence. La situation politique y est désastreuse et les droits de l’homme sont fréquemment bafoués, comme le montrent de nombreux cas de tortures et d’arrestations politiques. Dans ces conditions, des expulsions mettraient nos vies en péril.

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Redebeitrag der Ethiopian Human Rights and Democracy Task-Force in Switzerland (EHDTS) und der Oromo Cunmunity in Switzerland:
Die Ethiopian Human Rights and Democracy Task-Force in Switzerland (EHDTS) und die Oromo Cunmunity in Switzerland protestieren gemeinsam gegen die Zwangsausschaffungen von äthiopischen Geflüchteten. Wir richten uns gegen das Abkommen zwischen der EU und dem äthiopischen Regime. Das Abkommen sieht vor, dass auch die Schweiz fortan Zwangsausschaffungen von äthiopischen Geflüchteten durchführen kann. Die Behörden lassen lebensbedrohliche Risiken ausser Acht, denen wir im Falle einer Zwangsausschaffung in Äthiopien ausgesetzt sind.
Insbesondere die Zusammenarbeit mit dem National Intellegince and Security Service (NISS) ist schockierend. Der NISS ist die brutale Hand des diktatorischen Regimes in Äthiopien. Im Abkommen wird ausgerechnet der NISS für die Identifizierung von Geflüchteten zuständig gemacht. Wir machen die schweizerischen Behörden darauf aufmerksam, dass dieser Umstand für ausgeschaffte Personen das Risiko auf Folter und Freiheitsberaubung massiv erhöht. Wir fordern die Behörden auf, das Abkommen zu kündigen.
Die Mehrheit der äthiopischen Diaspora in der Schweiz kämpft für ein demokratisches Äthiopien und setzt sich ein für all die Menschen in Äthiopien, die keine Stimme haben. Wir tun dies, weil in Äthiopien weiterhin der Ausnahmezustand herrscht. Die politische Lage und die Menschenrechtslage sind unverändert schlecht und Folter und ethnische Vertreibung sind nach wie vor an der Tagesordnung. Angesichts dieser Verhältnisse bedeuten Ausschaffungen, dass unsere Leben aufs Spiel gesetzt werden.

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Redebeitrag vom Bleiberecht-Kollektiv Bern:
Keine Ausschaffungen nach Äthiopien – Keine schmutzigen Deals mit autoritären und menschenrechtsverletzenden Staaten und ihren Geheimdiensten
Die EU und Äthiopien haben sich auf ein Abschiebeabkommen geeinigt. Die Schweiz ist seit März in den Deal mit eingestiegen. Entstehen konnte das Abkommen, weil die EU massisven Druck auf Äthiopien ausgeübt hat. Die EU hat gedroht, dass bei mangelnder Abschiebe-Kooperation Entwicklungshilfen gestrichen und es in den Handelsbeziehungen „Konsequenzen“ geben werde. Konkret bedeutet das, die Schweiz und die EU geben Äthiopien Geld, wenn die äthiopische Regierung die aus Äthiopien Geflüchteten identifiziert und bei den Zwangs-Rückschaffungen mitarbeitet.
Das ist Menschenhandel!

Die Opposition wird ins Land, aus dem sie flüchten musste, zurückgeschickt
Äthiopien ist seit Jahrzehnten ein autoritär geführter Staat. Die Opposition wird verfolgt und ins Gefängnis gesteckt. Ein Grossteil Oppositioneller lebt mittlerweile im Ausland. Von dort aus ist sie tätig und kann oppositionelle Stimmen im Lande vorantreiben. Seit Februar 2018 wurde in Äthiopien der Ausnahmezustand verhängt, viele Kritiker*innen und Andersdenkende wurden verhaftet. Gute Handelsbeziehungen mit der EU und deren Entwicklungsgelder dienen der Stärkung des äthiopischen Regimes.
Das Rücknahme-Abkommen zwischen der EU und Äthiopien soll für alle Geflüchteten, welche über keine gültigen Papiere verfügen, angewandt werden. Das heisst die Mehrheit der äthiopischen Geflüchteten ist betroffen. Der grosse Teil davon sind Kritiker*innen des äthiopischen Regimes. Genau diese Geflüchteten sollen laut Abkommen nun den äthiopischen Behörden zur Identifizierung mit allen erforderlichen Daten bekanntgegeben bzw. vorgeführt werden, um ihre Zwangs-Ausschaffung in das Land, aus dem sie flüchten mussten, durchzuführen.

Mit dabei ist der menschenrechtsverletzende äthiopische Geheimdienst
Bei der Identifizierung der Geflüchteten wird laut Abkommen der äthiopische Geheimdienst (NISS) unterstützen. Der NISS ist bekannt für menschenrechtsverletzende Methoden, Folter und für die Verfolgung von Regimegegner*innen. Genau diese Behörde wird nun von der Schweiz herbeigezogen, um die Identität der Geflüchteten festzustellen. Dabei spielt sie dem NISS Daten der Geflüchteten zu und gibt sie somit zum Abschuss frei. Sie werden genau denjenigen Behörden vorgeführt, vor denen sie geflüchtet sind.
Somit nehmen die schweizer Behörden in Kauf, die Leben der ausgeschafften Menschen zu gefährden.

Noch viel mehr schmutzige Deals
Während die Schweiz schon seit geraumer Zeit dabei ist, so viele Abschiebe-Deals wie möglich mit anderen Ländern abzuschliessen, um so viele Geflüchtete wie möglich auszuschaffen, beteiligt sie sich mittels Abkommen oder Fonds auch an der Finanzierung von riesigen Auffanglagern zum Beispiel in der Türkei oder in Libyen. Auch diesen Deals liegt ein Menschenhandel zugrunde: Die Türkei und Libyen bekommen finanzielle Hilfe, im Gegenzug sorgen sie gewaltsam dafür, dass weniger Geflüchtete Europa erreichen. Unter welchen Umständen ist der EU und der Schweiz egal. In Libyen herrschen in den Lagern KZ – ähnliche Zustände, kürzlich wurde bekannt, dass wöchentlich mehre Geflüchtete erschossen werden, damit es wieder Platz für Neuankömmlinge gibt.
Wir fordern die schweizer Behörden auf, das Rücknahmeabkommen mit dem äthiopischen Regime sofort aufzukünden!

Keine Ausschaffungen nach Äthiopien!
Stopp allen Ausschaffungs-Deals!
Stopp den Auffanglagern!!
Grenzen öffnen!
Ausschaffungen abschaffen!
Kein Mensch ist illegal!

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Redebeitrag von Solidarité sans frontières (SOSF):
Gut klingen sie – die Nachrichten, die derzeit in den Schweizer Medien über Äthiopien zu lesen sind. Aufhebung des Ausnahmezustands, Friedens- und Normalisierungsbestrebungen gegenüber Eritrea, allgemeine Liberalisierung. Die zieht auch ausländische Investoren an, so berichtete die NZZ, unter anderem solche aus der Schweiz.

Das Staatssekretariat für Migration gab sich gegenüber den Medien zurückhaltend. Man werde die Politik gegenüber Asylsuchenden aus Äthiopien vorerst nicht ändern und erst einmal abwarten, ob sich die Verhältnisse wirklich ändern. Auch diese Nachricht wäre positiv, denn noch vor nicht allzu langer Zeit kamen aus Äthiopien ganz andere Informationen: Hunderte von Menschen, die bei den Protesten Ende 2015 und Anfang 2016 erschossen wurden. Zehntausende, die inhaftiert wurden. Folter von politischen Gefangenen. Ein ausgeklügeltes Überwachungssystem, Medienzensur, Kontrolle auch der Social Media. Als im Februar dieses Jahres die Proteste erneut aufflammten, hat die Regierung des Landes erneut den Ausnahmezustand verhängt und erneut Tausende eingeknastet.

Dass das SEM angesichts der neuen, guten Nachrichten aus Äthiopien seine Politik vorerst nicht ändern will, wäre also ebenfalls eine gute Nachricht, wenn sich seine Politik gegenüber äthiopischen Asylsuchenden nicht schon vorher geändert hätte. Im April wurde bekannt, dass die Schweiz sich im März an einen Deal angeschlossen hat, den die Europäische Kommission mit der äthiopischen Regierung ausgehandelt hat.

Danach akzeptiert Äthiopien nun erstmals seit langen Jahren die zwangsweise Rückschaffung von in der Schweiz bzw. in Europa abgelehnten Asylsuchenden. Wenn Leute rückgeschafft werden sollen, übermittelt die Schweiz den zuständigen Behörden des jeweiligen Landes die Daten über die betreffende Person, damit das Land die Person identifiziert und ein Laissez Passer ausstellt. Zuständige Behörde ist nach diesem angeblich nur «technischen» Abkommen der äthiopische Geheimdienst. Zur Identifikation können auch Leute bei der Botschaft Äthiopiens in Genf vorgeführt werden. Und dort warten dann Leute des Geheimdienstes, die zu «Identifikationsmissionen» hierher kommen. Anders ausgedrückt: just der Geheimdienst Äthiopiens soll Daten von Menschen erhalten, die in der Schweiz unter anderem vor diesem Geheimdienst Schutz gesucht haben.

Das ist schlicht nicht akzeptabel. Wieder einmal steht das Interesse an der Ausschaffung über allem.
Im Juni 2016 hat die EU-Kommission einen neuen «Partnerschaftsrahmen» im Migrationsbereich vorgestellt. Als prioritäre Länder hat man sich fünf afrikanische Staaten ausgesucht: Mali und Niger, wo die EU auch militärisch präsent ist, Nigeria, Senegal und schliesslich Äthiopien. Damit diese Länder auch tatsächlich kooperieren, agiert Europa mit einem Mix von Zuckerbrot und Peitsche, von wirtschaftlichen Unterstützungsleistungen und der Drohung diese zu streichen, wenn die Kooperation nicht so funktioniert, wie man das gerne hätte.

Im Zuge dieser Partnerschaften werden Verbindungsbeamte der EU-Grenzschutzagentur in die Länder geschickt. Koordinationsgremien werden eingerichtet. Aktionspläne gegen Schleuser werden produziert. Die Grenzpolizeien werden aufgerüstet, denn schliesslich will man, dass diese Länder selbst dafür sorgen, dass ihre Bürgerinnen und Bürger im Lande bleiben, statt in Europa ein neues, sichereres Leben zu suchen. Im Zentrum stehen aber immer Rückübernahmeabkommen und eben deren technische Umsetzung durch besagte Identifikationsmissionen. In Deutschland kannte man solche Missionen bisher vor allem aus Nigeria. Die nigerianischen Beamten, die zu solchen Missionen auf ihrer Botschaft aufkreuzten, haben praktisch jede Person, die ihnen von den deutschen Ausländerbehörden vorgeführt wurden, als ihren Staatsangehörigen anerkannt und entsprechende Papiere ausgestellt. Dieses «erfolgreiche» Modell will die EU nun auch mit anderen Partnern anwenden.

Die Schweiz ist zwar kein EU-Mitglied, aber sie ist bei der Schengen-Kooperation der EU assoziiert und mischt dabei kräftig mit. Sie tat das im November letzten Jahres, indem sie eine Konferenz von Ministern aus afrikanischen und europäischen Staaten über das zentrale Mittelmeer organisierte. Und sie tut das jetzt, indem sie sich in das «technische» Abkommen mit Äthiopien einklinkt.

Wir lehnen diese Art von Partnerschaft grundsätzlich ab. Wir fordern statt dessen, dass die hier lebenden Äthiopierinnen und Äthiopier sich in Ruhe und Frieden in der Schweiz ein Leben aufbauen können. Das geht nur, wenn ihr Status gesichert ist und sie sich nicht vor einer möglichen Ausschaffung fürchten müssen. Wer – wie Bundesrätin Sommaruga – immer wieder von Integration redet, muss diese auch zulassen.

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